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Region

Die arabische Bevölkerung in Bushehr und Hormozgan

Heute gehören rund vier Prozent der Bevölkerung Irans der arabischen Volksgruppe an. Während die meisten von ihnen in der südwestlichen Provinz Khuzestan leben, findet man kleinere arabischsprachige Gemeinschaften auch unter den Khamseh-Nomaden in Fars[1], in Khorasan[2], Kerman, Lorestan, Qom sowie im Hochland von Teheran[3] und in einigen Dörfern im Norden der Provinz Ilam[4]. In den beiden südiranischen Provinzen Bushehr und Hormozgan ist der Anteil der arabischsprachigen Bevölkerung etwas größer. Laut ersten Erhebungen des Atlas-Projektes zu den Sprachen Irans (ALI)[5] gibt es in Bushehr ca. 50 arabischsprachige Dörfer. Laut Nadjmabadi[6] gibt es allein im Distrikt Gavbandi, Provinz Hormozgan, zwölf Dörfer, die von einer arabischsprachigen Bevölkerung bewohnt sind.

Bereits für die vorislamische Zeit ist ein intensiver Austausch zwischen den Küstenregionen zu beiden Seiten des Persischen Golfes sowie für die Beziehungen der iranischen und arabischen Bevölkerung untereinander belegt[7]. Vor allem ab Mitte des 7. Jahrhunderts und nach der islamischen Eroberung des Sassanidenreiches wanderten arabische Stämme über den Persischen Golf ein und ließen sich in den südlichen Regionen des heutigen Iran nieder[8]. Eine systematische Besiedelung der Golfküste zwischen Kangan (Bushehr) und Bandar Lengeh (Hormozgan) ist laut Nadjmabadi[9]  erst ab dem 18. Jahrhundert belegt. Erste Ergebnisse einer Untersuchung des Dialekts von Bandar Moqam (Hormozgan) weisen allerdings darauf hin, dass die Einwanderung in diese Region schon früher erfolgt ist.[10]  In der wechselvollen Geschichte der Region kontrollierten arabische Stämme mitunter die gesamte Küstenregion. So berichtet Niebuhr[11], der die Region im 18. Jh. bereiste, dass fast alle wichtigen Häfen unter der Kontrolle arabischer Stämme standen. Im 19. Jh. berichtet Pelly[12], dass die Region zwischen Deylam und Kangan etwa zu drei Vierteln aus Persern und zu einem Viertel aus Arabern bestand, während weiter südlich, zwischen Kangan und Bandar Lengeh, das Verhältnis umgekehrt war. Die kontinuierliche Ansiedlung arabischer Stämme, die vor allem zur Zeit der Zand-Dynastie (1750-1797) wohl auf die Schwäche der Zentralregierung zurückzuführen ist, nahm durch die Zentralisierungsbestrebungen von Reza Shah (1925-1944) ein Ende.[13] Gleichzeitig sah sich die Region seit der Entdeckung von Ölvorkommen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, aber besonders seit Anfang der 1990er Jahre mit einem starken Zustrom von Menschen aus dem Hochland konfrontiert, die auf den Öl- und Gasfeldern und den Industrieanlagen vor allem in der Region Asaluyeh Arbeit fanden, wodurch sich die demographische, wirtschaftliche und soziokulturelle Situation in den arabischen Dörfern entlang der Küste drastisch verändert hat. Trotz des Zustroms persischer Siedler blieben die meisten Dörfer während des vergangenen Jahrhunderts überwiegend arabisch und arabischsprachig.

[1] Dahlgren 2003

[2] Dahlgren 2005, Seeger 2009

[3] www.irancarto.cnrs.fr/record.php

[4] Gheitasi et al. 2017: http://iranatlas.net/index.html?module=module.language-distribution.ilam.

[5] Links: http://iranatlas.net/index.html?module=module.language-distribution.bushehr;

http://iranatlas.net/index.html?module=module.language-distribution.hormozgan; www.irancarto.cnrs.fr/record.php.

[6] Nadjmabadi 2005.

[7] Vgl. Nadjmabadi 2005, 2009, Nöldeke 1879, Wilson 1928.

[8] Hinds 1984, Holes 2018

[9] Vgl. Nadjmabadi 2005, 2009.

[10] Vgl. Leitner et al. 2021.

[11] Niebuhr 2007.

[12] Pelly 1864.

[13] Vgl. Nadjmabadi 2005, 2009.

 

Arbeit, Identität, Kultur

Traditionell waren die Bewohner der Golfregion Bauern, Fischer und Perlentaucher. In der jüngeren Vergangenheit war die Haupteinnahmequelle die Arbeitsmigration in die arabischen Staaten, die wohl erhebliche sprachliche Auswirkungen hatte. Zwischen beiden Seiten des Golfs besteht intensiver Kontakt zwischen Familienmitgliedern, heute auch über soziale Medien.[1] Die arabische Minderheit in der südöstlichen Golfregion hat jedoch großteils einen anderen Zugang zu ihrer Identität als die nationalistischere arabische Bevölkerung in Khuzestan und betrachtet sich laut Nadjmabadi sowohl als "arabisch" als auch als "iranisch".[2] Dies spiegelt sich auch in ihrem hohen Grad an Zweisprachigkeit und in der stärkeren kontaktinduzierten Beeinflussung der lokalen arabischen Varietäten durch das Persische wider.

Kulturell sind die arabischen Minderheiten Teil eines Raumes, der über die politischen Grenzen der beiden Provinzen hinausgeht. Man bezeichnet diesen Kulturraum als ǧunubi (südlich) oder bandari (Hafen-). Er umfasst hauptsächlich die Provinzen Khuzestan, Bushehr und Hormozgan. Trotz unterschiedlichen ethnischen Ursprungs teilen die Bewohner dieses Gebiets bestimmte gemeinsame Praktiken, die sie verbinden bzw. ihre ǧunubi-Identität unterstreichen, wie z.B. Küche, Kleidung, religiöse Feste, Heilzeremonien, Tänze und Musik. Charakteristisch für die Region ist der neyhambune, ein südiranischer Dudelsack, der ein gängiges Instrument in der Golfregion ist. Der neyhambune wird zu festlichen Anlässen vieler ethnischer Gruppen (Perser, Araber, Loren, Bachtiaren) gespielt. Die lokalen Repertoires unterscheiden sich hauptsächlich in ihren Texten, Melodien und rhythmischen Grundmustern, verwenden aber das gleiche Melodieinstrument, mehr oder weniger ähnliche Tonsysteme und eine flexible Stimmung. Insofern kann der neyhambune als ein musikalischer Marker für die ǧunubi-Identität bezeichnet werden, der in den musikalischen Praktiken aller ethnischen Gruppen verwendet wird und diese dadurch verbindet. Ebenso haben viele andere musikalische Genres, wie zār, neyme (oder nehme) und yazle, eine ähnlich identitätsstiftende Funktion innerhalb des ǧunubi-Kulturraums.

[1] Vgl. Gazsi 2017, 2018.

[2] Nadjmabadi 2005, p. 146.

Dina El Zarka

Department of Linguistics (University of Graz)
Merangasse 70/3rd floor
8010 Graz


Stephan Procházka

Institute for Near Eastern Studies (University of Vienna)
Spitalgasse 2, Hof 4
1090 Wien


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